Mit der Kartierung von Zugvögeln (Zugvogelkartierung) beginnt Mitte September eine der spannendsten Aufgaben im Jahresverlauf für das Ressort Tierökologie und Artenschutz.

Durch die Jahresperiodik bedingt verändern sich verschiedene Umweltbedingungen wie Temperatur, Licht und Nahrungsangebot für das gesamte Tierreich. Als Antwort auf diese Veränderungen reagiert ein Großteil der Tiere über den gesamten Globus mit horizontalen und vertikalen Wanderbewegungen. Am beeindruckendsten und am stärksten ausgeprägt ist die jährliche Wanderung von Vögeln, die im Herbst aus ihren Brutgebieten in südlich gelegene Überwinterungsgebiete abziehen und von hier im Frühjahr wieder in ihre Brutgebiete zurückwandern.

Nach aktuellen Erkenntnissen geht man davon aus, dass jährlich bis zu 200 Vogelarten und insgesamt fünf Milliarden Vögel zwischen Eurasien und Afrika wandern. Etwa 500 Millionen durchqueren dabei Deutschland von der Nordsee bis zu den Alpen.

Je nach Wetterlage erfolgt der Zug in sehr unterschiedlichen Höhen. Bestimmte Wetterlagen begünstigen und unterstützen die Vögel bei ihrer Wanderung, sodass diese Bereiche bevorzugt aufgesucht werden, um energiesparend zu fliegen. Gerade bei Hochdruckwetterlagen und nordöstlichen Winden ziehen die meisten Vögel in großen Höhen. Im Hinblick auf die Planung von Windenergieanlagen ergibt sich hieraus auf dem Heimzug ein relativ geringes Konfliktpotenzial. Der herbstliche Zug erfolgt jedoch meist nicht bei optimalen Wetterbedingungen. Für Deutschland heißt dies meist Tiefdruckwetterlage mit Winden aus Südwesten. Dies bedeutet für das einzelne Individuum einen erhöhten Energieaufwand, dem der Vogel durch das Fliegen im Windschatten von Bergen, Tälern oder in niedrigen Höhen versucht entgegenzuwirken.

Zur Beurteilung des Konfliktpotenzials von Zugvögeln im Hinblick auf eine Planung von Windkraftanlagen, wird eine sogenannte Zugplankartierung (Zugvogelkartierung) im jeweiligen Untersuchungsgebiet durchgeführt. Ziel dieser Erfassungsmethodik ist die Ermittlung von Leitlinien und Verdichtungszonen in Hang- und Tallagen, an Bergkuppen oder an weiteren landschaftlichen Strukturen wie Gewässern, Hecken- und Gebüschzügen.

Dazu werden Beobachtungspunkte mit einem weit überblickenden Sichthorizont in Zugrichtung ausgewählt. Von Mitte September bis Mitte November werden die Beobachtungspunkte einmal wöchentlich synchron von Feldornithologen ab Sonnenaufgang vier Stunden lang besetzt. Durch Sichtbeobachtungen und das Verhören von Zugrufen werden alle ziehenden Vögel (Zugvögel) an einem Beobachtungsstandort erfasst und digital in ein Geoinformationssystem übertragen. Zur Beurteilung des Konfliktpotenzials werden Daten wie Vogelart, Anzahl, Flughöhe sowie Zugrichtung und detaillierter Zugweg aufgenommen.

Meist ist die Kombination aus Zugvogelerfassung und einer anschließenden Rastvogelkartierung sinnvoll. Dazu werden in den Wintermonaten die Anzahl und die Art sowie die räumliche Verteilung der rastenden Vögel im Untersuchungsgebiet digital aufgenommen. Im Gegensatz zur Zugvogelkartierung erfolgt die Rastvogelkartierung auch in der Heimzugsperiode im Frühjahr.

Am Ende der Erfassungsperiode werden alle Daten analysiert und das Konfliktpotenzial für das einzelne Vorhaben beurteilt. Neben der Analyse der erhobenen Daten fließen ebenfalls Kenntnisse nach dem aktuellen Stand der Forschung in die abschließende Bewertung mit ein.